Dank DSGVO Klingelschilder bald ohne Namen?

Es vergeht keine Woche ohne neue Schreckensmeldungen zur DSGVO in den Gazetten und sozialen Medien. Die neueste Hiobsbotschaft lautet: “Deutschland droht ein Klingelschild-Chaos“.¹

Auslöser war die Beschwerde eines Mieters in Wien. Er sah seine Privatsphäre nicht ausreichend geschützt, weil sein Name auf dem Klingelschild stehe. Die kommunale Hausverwaltung „Wiener Wohnen“ ließ die Beschwerde prüfen und die zuständige Magistratsabteilung der Stadt Wien stellte fest, dass hier tatsächlich eine Verletzung der Privatsphäre vorliege. Nun sollen bei 220.000 Mietwohnungen die Namen auf dem Klingelschild entfernt und durch Nummern ersetzt werden. Wer doch seinen Namen auf dem Klingelschild haben möchte, könne ihn selbst aufkleben.²

Weiter ging es nur wenige Tage später in Deutschland. Der Eigentümerverband „Haus & Grund“ empfahl seinen ca. 900.000 Mitgliedern ebenso zu verfahren und die Namen gegen Nummern auszutauschen.³

Wird hier wieder unberechtigte Panik verbreitet oder ist etwas dran an dieser Forderung?

Sind Klingelschilder ein Dateisystem?

Wie immer beim Thema Datenschutz ist die Antwort nicht ganz einfach: Erst einmal gilt die DSGVO nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO nicht nur für automatisierte elektronische Datenverarbeitung. Auch die guten alten Akten in Papierform fallen unter das Gesetz. Damit die physische, nicht automatisierte Datenverarbeitung auch wirklich unter die Anwendung der DSGVO fällt, müssen die personenbezogenen Daten zusätzlich auf einem Dateisystem gespeichert sein. Die Türschilder müssten also ein Dateisystem sein. Was nach der DSGVO unter einem Dateisystem zu verstehen ist, erfahren wir in Art. 4 Nr. 6 DSGVO. Da heißt es: “Ein Dateisystem ist jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geografischen [sic!] Gesichtspunkten geordnet geführt wird.”

Relevant für unsere Frage sind die Merkmale einer „strukturierten Sammlung“ und ob Daten „nach bestimmten Kriterien zugänglich sind“ nach Art. 4 Nr. 6 DSGVO . Hier braucht es viel Fantasie Türschildern diese Merkmale zuzuordnen.

Für eine strukturierte Sammlung müssen die Daten „nach bestimmten Kriterien zugänglich sein“. Das Ziel der DSGVO ist es, personenbezogene Daten und damit die betroffenen Personen vor einer missbräuchlichen Verwendung zu schützen. Die Gefahr eines Datenmissbrauchs ist bei Massenverarbeitung besonders hoch. Um Daten in der Masse zu verarbeiten, braucht es strukturierte Sammlungen, die nach bestimmten Kriterien zugänglich gemacht werden. Selbst wenn die Türschilder alphabetisch oder sonst irgendwie sortiert sind, sind sie nicht soweit “zugänglich, dass Sie einfach von der Tür aus verarbeitet werden” können. Im Ergebnis sind Türschilder keine automatisierte Verarbeitung oder Dateisysteme.

Zumindest der Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz Dr. Lutz Hasse sieht in Klingelschildern ein Dateisystem, sofern für deren Erstellung auf ein ausgelagertes Dateisystem zurückgegriffen wird. Dem ist zuzustimmen, jedoch werden in der Praxis wohl nur große Wohnungsgesellschaften eine solche Datenbank nutzen. Digitale Klingelschilder wären wegen der damit verbundenen automatisierten Datenverarbeitung auch ein Dateisystem im Sinne der DSGVO. Die Fälle, in welchen die DSGVO überhaupt greift, sind demnach eher Ausnahmefälle.

Das sagt die DSGVO

Selbst wenn der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet ist, dann stehen die Regeln der DSGVO dem wilden Klingelschild-Abschrauben selbst im Weg. Der Vermieter kann sich auf seine so genannten berechtigten Interessen aus Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO berufen, die ihm eine Rechtsgrundlage zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten geben. Hier gilt es die Interessen aller Beteiligten abzuwägen. Es ist zumindest ein berechtigtes Interesse des Vermieters beim Mieter im Notfall mal klingeln zu können oder ihm Post zuschicken. Da hilft ein Klingelschild in der Regel weiter. Jeden einzelnen Mieter nur über Nummern zu identifizieren, geht über eine zumutbare Belastung für den durchschnittlichen Vermieter hinaus. Ab einer gewissen Anzahl von Mietern/Vermietungsobjejekten wäre eine automatisierte Datenverarbeitung nötig, die eine entsprechende Rechtsgrundlage in der DSGVO bedürfe. Die meisten Mieter sind mit ihrem Namen auf der  Klingel auch recht zufrieden, da sie so leicht Post und Besuch empfangen können. Das geht natürlich auch ohne Namen an der Tür, doch würde dies erst einmal für den Mieter zu einem Mehraufwand führen, weil er Bekannte und Postzusteller informieren müsste. Pauschal auf Klingelschilder mit Namen zu verzichten, liegt somit nicht im Interesse von Mietern und Vermietern.

Auf jeden Fall kann der Mieter dieser Datenverarbeitung nach Art. 21 Abs. S.1 DSGVO widersprechen, wenn er nicht möchte, dass sein Name am Klingelschild steht.

Fazit

Wenn ein Mieter wirklich nicht will, dass sein Name auf dem Klingelschild steht, wird ein Vermieter ihm das wohl zugestehen müssen. Dies ist aber eine Frage des Mietrechts und nicht der viel gescholtenen DSGVO. Vermieter können also beruhigt die Schraubenzieher im Werkzeugkasten lassen.

Nachtrag: Obwohl von einem Großteil von Datenschützern (wie auch der Autor dieses Beitrags) und selbst von Seiten der EU-Kommission die Meinung vertreten wird, dass Klingelschilder kein Dateisystem sind will “Wiener Wohnen” weiterhin an der Entfernung der Klingelschilder festhalten.