Nachhaltige Buchproduktion
Der Weg des Buches – Teil 2 von 3
Wie hängt das mit dem Buch zusammen?
Das erste Mal trat der Begriff der Nachhaltigkeit im 17. Jahrhundert auf, als der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz erstmals die Idee der nachhaltigen Nutzung der Wälder formulierte. Er stellte fest, dass nicht mehr Holz gefällt werden dürfe, als auch wieder nachwachsen könne. So setzte er einen Meilenstein für die Zukunft, indem er für viele Branchen das langfristige Ressourcenaufkommen sicher stellte.
Heute stammt etwa ein Viertel des deutschen Holzbedarfs aus Brasilien. Viel wird auch aus Finnland und Norwegen importiert. Oft stammt das Holz aus Monokulturen, die anfällig für Krankheiten sind und die Artenvielfalt gefährden. Um jedoch diesen großen Holzbedarf zu decken, muss eine enorme Menge gefällt werden. Fast jeder zweite Baum, der industriell gefällt wird, wird für die Papierherstellung verwendet.
Der vollkommene Umstieg auf Recyclingpapier ist jedoch leider nicht möglich, da um ein Kilogramm Recyclingpapier herzustellen 1,2 Kilogramm Altfaser benötigt wird. Bei jedem Recyclingprozess vermindert sich die Länge der Fasern, bis diese schließlich nicht mehr zu verwenden sind. Frischfaser wird also nach wie vor benötigt. Zwar ist es in einem Labor gelungen Fasern unter optimalen Bedingungen 25 Mal ohne bemerkenswerte Minderung der Qualität zu recyceln, dies ist jedoch unrealistisch in großer Menge. Das Altpapier wird in ca 60 verschiedene Sorten sortiert und trotzdem bleiben die Qualitätsunterschiede erhalten und durch das Vermischen der Fasern wird das häufige Recyceln unmöglich. Auch papierfremde Stoffe und Klebstoffreste etc. vermindern die Recyclingfähigkeit.
Hier noch ein paar Werte, was das Verwenden von Recyclingpapier im Gegenzug zu Frischfaserpapier mit sich bringt:
Der Weg des Buches
Die Herstellung von Papier erfordert komplexe Verfahren, um aus Holzschnitzeln die benötigten Zell- oder Faserstoffe zu gewinnen. Die zwei typischen Methoden sind das mechanische Aufschlussverfahren, bei dem das Holz zu Fasern verschliffen wird, oder das chemische Verfahren, bei dem durch Erhitzen und Druck der Zellstoff extrahiert wird. Die eingesetzten Chemikalien sind oft stark ätzend giftig für Mensch und Umwelt, wie zum Beispiel das verwendete Natriumsulfid.
Der gewonnene Zellstoff wird dann mit Wasser vermengt, wobei oft auch Altpapier hinzugegeben wird, und auf feinen Sieben zu neuem Papier verarbeitet. Das entstandene Papiervlies enthält dabei noch etwa 99% Wasser und muss durch Walzung und Leimung, zum Beispiel mit Kreide oder synthetischem Leim, weiter geglättet werden, um beispielsweise beschreibbar zu sein.
In diesem Schritt wird ebenfalls das Papier gebleicht, wobei weltweit hauptsächlich das ECF-Verfahren (Elementary Chlorine Free) verwendet wird. Nur etwa 5% der Papierproduktion verwenden das umweltfreundlichere TCF-Verfahren (Totally Chlorine Free), während der Einsatz von elementarem Chlor noch bei etwa 5% liegt. Elementares Chlor ist stark ätzend und zerstört sowohl pflanzliches als auch menschliches Gewebe. In Europa ist es bereits verboten, für die Papierbleichung elementares Chlor einzusetzen, dies gilt jedoch nicht für alle Staaten der Welt, was durch den Import von Büchern aus diesen Staaten und/oder durch den Import von Altpapier auch nach Deutschland gelangt.
Druck: Offset
Um Offset drucken zu können, müssen primär die Druckplatten hergestellt werden. Hierfür gibt es verschiedene Varianten, das zu druckende Motiv in die meist aus Aluminium bestehende Druckplatte zu gravieren. Diese Phase geht oft mit einem hohen Energieverbrauch einher, weshalb der Offsetdruck sich ökonomisch erst bei einer höheren Auflage lohnt.
Druck: Digitaldruck
Die zweite typische Druckvariante ist der Digitaldruck, der sich durch seine Flexibilität und schnelle Produktion auszeichnet. Dabei entfallen viele der aufwändigen Vorproduktionsschritte sowie das aufwendige Einstellen der Maschinen mit einer hohen Makulaturzahl.
Bei der Weiterverarbeitung von gedruckten Materialien stehen verschiedene Bindungsarten zur Auswahl, darunter die Klebebindung mit Heißleim oder Kaltleimung, die Fadenheftung und die Heftbindung mit Draht. Jede Methode hat ihre Vor- und Nachteile hinsichtlich Haltbarkeit, Kosten und Umweltverträglichkeit.
Abschließend wird oft über den Einsatz von Schutzfolien um Büchern diskutiert. Während sie das gedruckte Material vor äußeren Einflüssen schützen können, stehen sie auch im Fokus von Umweltbedenken aufgrund ihres Kunststoffanteils und dessen Entsorgung. Ist es jedoch nachhaltig, wenn ein Buch bereits vor dem Erreichen der Buchhandlung unverkäuflich ist? Denn so sind all die Ressourcen, die in dieses Buch geflossen sind, umsonst.
Bedeutung für die Buchbranche
Cradle to Cradle
Cradle to Cradle ist eine unabhängige, gemeinnützige Organisation, die sich der Förderung von nachhaltigen Produktions- und Wirtschaftspraktiken verschrieben hat. Unternehmen, die ihre Produkte nach Cradle-to-Cradle-Kriterien gestalten möchten, können eine Zertifizierung beantragen, die alle zwei Jahre erneuert werden muss. Dabei werden verschiedene Kriterien bewertet, darunter die Reinheit der verwendeten Grundstoffe, Recyclingmöglichkeiten, Energie- und Wasserverbrauch sowie soziale Verhältnisse entlang der gesamten Lieferkette.
Die Zertifizierung beginnt mit der Bronze-Stufe, die das Bestreben des Unternehmens anerkennt, die Produktionsweise zu verbessern und sich zu kontinuierlicher Überprüfung und Optimierung zu verpflichten. Ab der Silber-Stufe sind keine kritischen Materialien mehr erlaubt, die krebserregend (C), mutagen (M) oder reproduktionstoxisch (R) sind. Die höchste Stufe, Platin, bedeutet, dass das Produkt zu 100% kreislauffähig ist. Das Besondere an diesem Zertifikat ist, dass auch die Lieferketten und Arbeitsbedingungen berücksichtigt werden. Ein Buch kann nie 100% kreislauffähig sein, da auch wenn es aus Recyclingpapier hergestellt werden würde, immer 1,2 kg Altpapier benötigt wird, um 1 kg Recyclingpapier herzustellen. Es gehen bei jedem Prozess Fasern verloren.
Das Cradle to Cradle Prinzip ist ein Vorreiter in der Neuinterpretation der Kreislaufwirtschaft. Trotz allem ist es nicht zu 100 Prozent umsetzbar. Einige Kritiker bemängeln, dass das Konzept ausschließlich auf der Nutzung erneuerbarer Energien basiert und nicht ausreichend die Begrenzungen der Ressourcen berücksichtigt. In unserem jetzigen System wäre es nicht umsetzbar, alle Prozesse mit erneuerbarer Energie zu speisen. Hierfür sei die Infrastruktur nicht weit genug ausgebaut. Andere argumentieren, dass die Idee, dass Produkte am Ende ihres Lebenszyklus als Nährstoffe zurückgeführt werden können, zu einem Aufruf zur Verschwendung führen könnte, da bei grenzenloser und nicht schädlicher Produktion kein Drang zur Sparsamkeit mehr bestehen würde.
PEFC
Das PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification) ist ein industrienahes Umweltkennzeichen, das von der internationalen Holzwirtschaft unterstützt wird und als Interessenverband der Waldbesitzer agiert. Es ist das weltweit größte Waldzertifizierungssystem. Hierzulande umfasst es etwa zwei Drittel der Wälder.
Das PEFC-Zertifizierungssystem unterscheidet zwischen PEFC-zertifizierten Produkten, die zu 100% aus Frischfaser aus zertifizierten Wäldern bestehen, und PEFC-Recycled Produkten, die mindestens 70% Altpapier enthalten. Die restlichen 30 Prozent dürfen aus nicht zertifizierten Quellen stammen. Dieses Holz muss jedoch aus nachweislich glaubwürdigen Quellen stammen.
Auch die PEFC Zertifizierung wird kritisiert, vor allem von Umweltverbänden. Hier wird angeführt, dass sie keine weiteren Umweltaspekte wie den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln berücksichtigt. Es werden nur begrenzt Kontrollen durchgeführt, was ermöglicht, dass unzureichend zertifiziertes Holz in den Markt gelangen kann.
Das PEFC-System verhindert die Umwandlung von Urwäldern in Plantagen nicht ausreichend und die Rechte der Urbevölkerung werden nicht angemessen berücksichtigt. Diese Kritikpunkte haben dazu geführt, dass einige Organisationen und Verbraucher andere Zertifizierungssysteme wie das FSC (Forest Stewardship Council) bevorzugen, das strengere Standards für die nachhaltige Forstwirtschaft setzt.
FSC
Das FSC (Forest Stewardship Council) ist eine Non-Profit-Organisation, die sich der nachhaltigen Bewirtschaftung von Wäldern und der Zertifizierung von Holzprodukten widmet. Etwa 20% der weltweit bewirtschafteten Wälder sind FSC-zertifiziert, was bedeutet, dass sie strenge ökologische, soziale und wirtschaftliche Standards erfüllen.
Das FSC-Zertifizierungssystem umfasst drei verschiedene Auszeichnungen: FSC 100%, FSC MIX und FSC Recycled. FSC 100% steht hier für ein Produkt, das zu 100% aus zertifizierten Frischfasern besteht, während FSC MIX Produkte 70% Frischfaser enthalten können, aber auch Recyclingpapier oder eine Mischung aus beidem. FSC Recycled Produkte bestehen zu 100% aus Recyclingfasern.
Einige kritisieren, dass es die Holzentnahme aus Urwäldern (diese sind zertifiziert und auch nur Teile des Urwaldes) erlaubt und nicht ausreichend gegen Monokulturen vorgeht. Eine Zertifizierung ist möglich, obwohl der Baum aus einer Monokultur stammt. Diese Monokulturen rauben den Platz für natürliche Wälder und bieten keinen beziehungsweise nur begrenzten Lebensraum für Tiere. Zudem gibt es Fragen zur Herkunft der Fasern in FSC Recycled Produkten, die nicht immer klar nachvollziehbar sind.
Der blaue Engel
Der blaue Engel ist ein Umweltsiegel der deutschen Bundesregierung, das auch für Druckerzeugnisse vergeben wird. Es setzt bestimmte Anforderungen an die verwendeten Materialien und Produktionsprozesse, wie beispielsweise die Verwendung gut lösbarer Klebstoffe bei der Bindung und die Begrenzung von VOC-Emissionen. Für Druckerzeugnisse sind strenge Kriterien zu erfüllen. Hier muss Papier zum Beispiel, um mit dem blauen Engel zertifiziert zu werden, aus 100% Altfasern bestehen. Vielseitige Kontrollen und die Unabhängigkeit von Konzernen weißt das Siegel als besonders glaubwürdig aus.
Jeglich die Tatsache, dass nicht berücksichtigt werden muss, woher die Altfasern stammen (Stichwort Urwald) mindern diese Glaubwürdigkeit ein wenig. Trotzdem bleiben Zertifizierungen wie der blaue Engel und das FSC ein wichtiger Ansatz, um die Umweltauswirkungen von Druckerzeugnissen zu reduzieren und nachhaltigere Produkte zu fördern.
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Nachhaltige Buchproduktion
Wie der Cradle-to-Cradle-Ansatz die Zukunft für Bücher nachhaltig gestalten kann – Teil 1 von 3