E-Learning Plattform für Online-Vertretungsstunden

Ein Interview mit Gründer Christian Kussmann

Online-Vertretungsstunden bietet Schulen die Möglichkeit, ausfallende Unterrichtsstunden mit hilfe einer E-Learning Plattform online zu ersetzen. Das Unternehmen produziert didaktisch aufbereitete Inhalte mit aufgezeichneten vollwertigen Unterrichtseinheiten.

Besonders für das Frühjahr und den Sommer 2020, während viele Bundesländer von Schulschließungen aufgrund der COVID-19-Pandemie betroffen waren, gewann die E-Learning Plattform an Bedeutung.

Wir von juni.com haben für Online-Vertretungsstunden einen Prototypen der E-Learning Plattform entwickelt. Erfahren Sie hier mehr über das Projekt und über die Etablierung eines E-Learning Geschäftsmodells. Sollten Sie selbst ein vergleichbares Projekt umsetzen, hoffen wir Ihnen hier spannende Einblicke in die Zusammenarbeit mit einem Start-Up  bieten zu können. Wir haben mit Christian Kussmann, einem der Gründer von Online-Vertretungsstunden, über das Projekt und seine Erfahrungen geredet.

Wie ist die Idee entstanden online-vertretungsstunden.de an den Markt zu bringen?

Meine Mitgründerin Anja hatte bereits vor einigen Jahren – lange vor Corona – die Idee zu Online-Vertretungsstunden. Der Unterrichtsausfall an deutschen Schulen ist ein extrem gravierendes Problem, was auch aufgrund der politischen Brisanz gerne verdrängt wird. Aus unserer Sicht kann (und muss!) man diese Herausforderung aber sehr konkret und zeitnah angehen. 

Die Möglichkeiten der Digitalisierung sind ein essentieller Bestandteil unseres Angebots, wir sind aber vor allem von der Vision getrieben, möglichst vielen Schüler*innen einen inhaltlich hochwertigen (Vertretungs-)Unterricht anbieten zu können. 

Die Situation – insbesondere an Brennpunkt-Schulen und in strukturschwachen Regionen – ist dramatisch, die Folgen für Chancengerechtigkeit, die Qualität der Schulbildung und letztendlich auch die Schwächung des Innovationsstandorts Deutschland sind erheblich und reichen weit in die Zukunft. Daher: Es ist höchste Zeit dieses Problem anzugehen!

Behind the scenes beim Dreh. 

Unterrichtsstunde: Kräfte messen.

Könnte Ihr Angebot eingesetzt werden um den Online-Unterricht zu unterstützen wenn der Präsenzunterricht in der Corona-Pandemie wieder ausfallen muss?

Unbedingt! Corona kam uns gewissermaßen „dazwischen“ wenn ich mich an unsere eigentliche Roadmap erinnere. Das Problem „Unterrichtsausfall“ besteht ja seit etlichen Jahren, Tendenz schlimmer werdend. Wir bieten – übrigens als Einzige – aufgezeichneten Unterricht im Sinne vollwertiger Stunden an, perfekt abgestimmt auf die Schule. 

Online-Vertretungsstunden sind durchkomponierte Lerneinheiten mit dem Ziel des Kompetenzerwerbs am Ende der Stunde bzw. der Unterrichtsreihe – eben genau wie in der Schule. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ist diese didaktische Progression besonders wichtig, da in der Regel wenig oder kein Vorwissen vorhanden ist und die neuralen Netze erst angelegt werden müssen. Einzelne Lernvideos können das nicht leisten. Als unterrichtsergänzende Materialien gibt es z.B. viele großartige YouTube-Channels mit wirklich coolen Inhalten, aber diese stehen nicht in einem größeren didaktischen Zusammenhang und haben nicht den Rhythmus einer Schulstunde.

Präsenzunterricht optimal ersetzen zu können ist unser zentrales Wertversprechen. Wir sind ursprünglich vom Use Case „Lehrer*in fällt kurzfristig oder geplant aus“ ausgegangen, aber genau so gut kann der kranke Schüler zu Hause – oder eben im Fall der Schulschließung eine ganze Klasse – in hoher qualitativer Kontinuität beschult werden. 

Sobald wir die entsprechende Menge an Content produziert haben – in unserem Fall definitiv eine große Herausforderung, wir brauchen VIEL Content – können wir über sehr lange Strecken die Unterrichtsversorgung leisten. 

Wie lief die Erarbeitung des MVP mit juni.com?

Christian Kussmann: Nachdem meine Gründungspartnerin Anja und ich uns nach einigen Gesprächen mit Florian Keck über Skype und einem persönlichen Treffen in Frankfurt für die Zusammenarbeit entschieden haben, wurde ein gemeinsamer Kick-Off Workshop mit allen Beteiligten organisiert. Von Juni.com waren neben Florian noch Pascal als Frontend-Entwickler und Anna-Lena als Backend-Entwicklerin dabei. Wir haben unseren UX-Designer Daniel und unseren Entwickler Kai mitgebracht. 

Eher aus einem Impuls heraus – der Vibe war von Anfang an sehr positiv und vertrauensvoll – haben Anja und ich zu Beginn des Workshops „die Karten auf den Tisch gelegt“ und das maximale Budget, was wir aus unseren privaten Mitteln bewegen konnten, an die Tafel geschrieben. Verbunden mit der Frage was wir in diesem Rahmen umsetzen können und müssen um den bestmöglichen Prototyp zu realisieren.

Daraus ergab sich eine extrem fruchtbare Diskussion, in deren Rahmen wir den Scope des Projekts sehr exakt festgelegt haben und am Ende des Tages ein sehr einheitliches Zielbild aller Beteiligten hatten. Davon haben wir über den gesamten Entwicklungszeitraum sehr profitiert, jeder wusste was am Ende herauskommen sollte und wo seine Verantwortlichkeit lag.

Über GitLab als Issue-Tracker sowie wöchentliche Skype-Weeklys haben wir den Projektfortschritt besprochen. Vor dem Endspurt haben gab es ein weiteres Treffen, bei dem wir den Backlog nochmal durchgegangen sind und die letzten Wochen geplant haben. Der Endspurt tat natürlich – so ist es ja immer…  – etwas weh, aber in Anbetracht des Umfangs und der Komplexität des Projekts sind wir sehr gut durchgekommen.

Stichwort Corona: Wir haben einen Prototypen entwickelt, um mit wenigen Schulen unser Geschäftsmodell zu testen. Während Corona waren wir dann plötzlich im Live-Betrieb mit 7.000 Sessions. Es ist nix zusammengekracht und wir waren jede Sekunde lauffähig. Den Stress-Test hat unsere Plattform also bereits mit Bravour bestanden. 

Der Schritt zum wirklichen MVP wird uns allerdings noch eine Weile beschäftigen

„Daher: Es ist höchste Zeit dieses Problem anzugehen!“

Auf welche Inhalte und Schulfächer konzentrieren Sie sich bei der Erstellung von Inhalten?

Wir konzentrieren uns zunächst auf die MINT-Fächer, also die naturwissenschaftlichen Nebenfächer wie Physik, Chemie, Biologie etc. Angefangen haben wir mit 6 Stunden Physik-Unterricht für die Jahrgangsstufen 7/8. Inhaltlich ist unser Anspruch mit dem fertigen Produkt den gesamten Lehrplan – auch unter Berücksichtigung der Eigenheiten bestimmter Bundesländer – abzudecken. 

Die Entscheidung liegt darin begründet, dass diese Fächer im Verhältnis sehr stark vom Unterrichtsausfall betroffen sind und deutlich weniger vertreten werden als z.B. Mathematik. 

In vielen Regionen sind sogar viele Stellen gar nicht mehr besetzt. Im Hinblick auf die demographische Entwicklung wird diese Situation sich in den nächsten Jahren bedauerlicherweise noch weiter verschärfen. Tatsächlich konkurriert der Bedarf an MINT-Lehrer*innen auch mit dem Fachkräftemangel in der Industrie und Wirtschaft: Viele potentielle MINT-Lehrer*innen landen zu besseren Konditionen in der Privatwirtschaft. 

Welche Erfahrungen haben Sie während des Projektes gesammelt und welche Tipps würden Sie anderen Unternehmer mit geben, die eine E-Learning Plattform entwickeln wollen?

Gute Frage, also leicht ist es definitiv nicht.

Auch wenn man zu Beginn der Schulschließung von seinem gesamten Freundeskreis beglückwünscht wird („Ihr seid doch jetzt alle reich, oder?!“). Grundsätzlich ist ein Content-getriebenes Geschäftsmodell im Bildungsbereich eine harte Nuss, da man eine sehr große und extrem diverse Gruppe an Nutzern zufrieden stellen muss:

Schüler*innen sind die Hauptnutzer unseres Angebots, die Lehrer müssen wir überzeugen ohne als Bedrohung wahrgenommen zu werden („Nein, wir möchte Sie durch das Internet nicht ersetzen“), diese müssen uns wiederum bei Ihrer Schulleitung empfehlen. Unsere Kunden sind am Ende Schulen und Schulträgern und ggf. Kultusministerien auf Landesebene. Natürlich brauchen wir ebenfalls die Akzeptanz der Eltern. 

Jede dieser Gruppen müssen wir gut verstehen und mit einem guten Angebot überzeugen, daraus ergibt sich ein entsprechend komplexer Funnel. Und das alles vor dem Hintergrund eines B2G-Geschäfts… Gerade zu Anfang haben wir den Scope unseres Prototyps mehrfach angepasst. 

Unbedingt ernst nehmen sollte man das Thema „Datenschutz“: Daten von Schüler*innen sind wirklich extrem sensibel, an diesem Thema sind schon große Plattformen gescheitert. „Privacy by design“ ist – zumindest im Bereich Schule – fast alternativlos. So verlockend es am Anfang auch sein mag Entwicklungskosten einzusparen indem man auf eine WordPress-Installation mit Plug-Ins zurückgreift – ich bin extrem froh, dass wir uns dagegen entschieden haben.

Christian Kussmann und Anja Hagen.

Was haben Sie besonders an der Zusammenarbeit mit  juni.com geschätzt?

Oh, da gibt es viel zu erzählen! Insgesamt war die gesamte Zusammenarbeit extrem produktiv und hat sehr viel Spaß gemacht. Wir hatten zu jeder Zeit einen wirklich guten Vibe, auch auf den gefürchteten „letzten Metern“ des Projekts. Ich habe selbst lange als freier Entwickler gearbeitet und – ja, ich gebe es zu – war extrem skeptisch dieses große Projekt, was wir komplett privat finanziert haben, mit einer Agentur umzusetzen. Juni.com konnte mich aber voll überzeugen und wird immer wieder als „die eine Ausnahme“ empfohlen. 

Neben der transparenten und fairen Kalkulation konnten wir auch einen sehr individuellen Workflow – die technische Umsetzung erfolgte in Zusammenarbeit von Anna-Lena und Pascal von Juni.com mit unserem Coding-Gott Kai – aufsetzen.

Ganz besonders hervorheben möchte ich noch Florian Keck: Abgesehen davon, dass es wirklich immer cool ist mit Florian zu tun zu haben, hat er einen wesentlichen Anteil am Erfolg unseres Prototyps. Wir sind auch jetzt noch begeistert, dass wir den Scope der Entwicklung perfekt definiert haben. Die oben beschriebene Herausforderung des komplexen Funnels und B2G-Geschäfts haben wir insbesondere Dank Florian so gut hinbekommen! Unterm Strich kann ich nach einem Jahr Erprobung unseres Prototyps im Schulalltag – inklusive Lockdown-Stresstest – sagen, dass wirklich keine Zeile Code am Scope vorbeiging. Wir haben exakt das entwickelt, was wir tatsächlich gebraucht haben.

Was würden Sie sich noch von  juni.com wünschen?

Bitte auch weiterhin an unseren Partys teilnehmen und Trips nach / über Berlin oder Köln für ein paar gemeinsame Bier nutzen!

Ansonsten: Wir sind sehr zufrieden und arbeiten auch gerne in der Zukunft weiter mit Juni.com zusammen. Alles was möglich ist wollen wir in-house umsetzen, aber für große Meilensteine würden wir gerne auf Unterstützung von Euch zurückgreifen. Außerdem kommen wir für die „crazy Ideen“ gerne immer wieder zum Reality-Check und Scope-Adjustment bei Florian vorbei.


Bilder: Online-Vertretungsstunden
Illustration Titelbild: Josephine Wolff

Planen Sie ein ähnliches Projekt?

Gerne stehen wir auch Ihnen bei der Konzipierung und Entwicklung Ihres E-Learning Projekts zur Seite. Während einer kostenlosen Erstberatung nehmen wir uns gerne Zeit, um eine mögliche Zusammenarbeit zu besprechen. Nehmen Sie dazu einfach über das folgende Kontaktformular Kontakt mit uns auf.